„In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand Jesus auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.“ (Mk 1, 35)
Der Wind weht kalt auf den Hängen des Monte Subasio im italienischen Umbrien. Unter uns liegt die Stadt Assisi, Geburtsort des Hl. Franziskus (1181/82-1226). Im Dunkel des Morgens sind wir hier heraufgestiegen, in der Hoffnung auf einen schönen Sonnenaufgang. Wir, das sind eine Gruppe von 11 Schüler*innen der 8. Klassen und zwei Lehrer des Peraugymnasiums. Die Wolken haben sich nun endgültig über uns geschlossen, Nebelschwaden werden vom Wind über den Bergrücken gerissen, die Pferde auf der Weide beäugen uns skeptisch. Es ist kalt. Die Gitarre wird ausgepackt, schnell singen wir anstelle des geplanten Morgenlobes ein Lied und beten ein Vater Unser. Dann treibt uns die Kälte wieder hinunter, über steile, steinige Wege in die windgeschützten Gassen Assisis.
Ist es noch möglich, Jugendlichen von heute Faszination und Spiritualität des Heiligen aus Assisi greifbar werden zu lassen? Ist es noch zeitgemäß, gemeinsam zu beten, miteinander Glauben zu teilen? Viele kleine Mosaiksteine sind es, die uns heute noch den franziskanischen Traum näherbringen. Neben der oben erwähnten Erfahrung am Berg sind das der gemeinsame Gottesdienst in der Einsiedelei „Carceri“, der Weg über die Felder hinaus zum Kirchlein Santa Maria degli Angeli („Portiunkula“), das Abendgebet der Franziskanerbrüder im Kloster San Damiano, das gemeinschaftliche Singen in der Herbstsonne in den Olivenhainen. In dieser Umgebung lässt es sich dem Leben des Hl. Franziskus am besten erzählend annähern, seinem Wunsch, dem „armen Christus“ nachzufolgen, seinem Mut, das Evangelium nicht nur als Ideal, sondern als Ausgangspunkt eines erfüllten Lebens zu verstehen und seiner tiefen Verbindung zur Schöpfung und zu den Menschen.
Ja, es war kalt oben am Berg, es war wenig romantisch. Unsere Schüler*innen jedoch sind schweigsam und stolz über dieses Erlebnis den Berg hinuntergestiegen. Vieles bleibt unausgesprochen, vollzieht sich im Schweigen und im Miteinander gehen. Glaube ist nicht immer lauter Jubel und Begeisterung, sondern die Begegnung mit Gott in den verborgenen Dingen der Schöpfung und in der menschlichen Begegnung.
Ute Jöbstl, Gerhard Gfreiner