20. 05. 2019

"Theater Perau" begeistert mit einer Neuinterpretation von Ovids Metamorphosen

Artikel verfasst von  Michaela Petritsch-Kolle und Maria Egger | Fotos: MG

Mehrere glanzvolle Vorstellungen einer Neuinszenierung der „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid gab die Theatergruppe Perau vor begeistertem Publikum zum Besten. Insgesamt zeichnen 15 SchauspielerInnen, 10 TänzerInnen, 1 Sängerin und viele fleißige Helferlein unter der Leitung und Regie der Professorinnen Mag. Kerstin Schöttl und Mag. Julia Prasser für diesen Erfolg verantwortlich.

Dass 2000 Jahre alte Geschichten auch heute noch allgemeine Gültigkeit haben, wurde dem Publikum vor Augen geführt. Alles fängt mit einer Selbsthilfegruppe unter der Leitung von Frau Dr. Ottilde Vid (Nina Schieber) an. Ihre Teilnehmer könnten unterschiedlicher nicht sein. Wir lernen den eitlen Narziss (Niklas Kapeller) kennen, der so sehr in sein eigenes Spiegelbild bzw. Profilbild verliebt ist, dass er gar nicht merkt, wie er jene von sich weist und kränkt, die ihn lieben (Echo, überzeugend dargestellt von Sarah Bastawros).

Dann ist da die nymphomanische Medusa, eine richtige „Bitch“ (Mavie Michelitsch), die keinen emotional an sich heranlässt und fast alle Männer mit ihrem Blick zu Stein erstarren lässt.

Brisante und traurige Aktualität spiegelt sich in der Geschichte von Daedala (Vivien Oberdabernig) und ihrem Sohn Ikarus (Niklas Kapeller) wider. Die alleinerziehende Daedala fühlt sich für den Drogentod ihres 18-jährigen Sohnes verantwortlich, da sie ihrer Arbeit und ihren neuen Beziehungen mehr Zeit gewidmet hat als ihm.

Die trauernden Mütter von Pyramus und Thisbe (Magdalena Nessmannn und Carolina Leiter) kommen zur Selbsthilfegruppe hinzu. Sie erzählen gleichzeitig von der religiösen Intoleranz und dem Fanatismus, die die Liebesbeziehung der beiden Jugendlichen verbieten und somit das Paar in den Freitod treiben.

In weiteren Rollen sieht das begeisterte Publikum, wie Hera (Johanna Kleber) und Jupiter (John Matthews) mit ihren Eheproblemen, ihrer Eifersucht und seiner Sexsucht zu kämpfen haben. Io (Angelina Valente) wird deshalb von Zeus in einen Hund verwandelt, damit die betrogenen Ehefrau ihren Seelenfrieden hat. Europa (Jana Sturm) wird von Jupiter und seinem Freund Apollon (Thomas Predota) via Internet-Dating verführt, mit K.O.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und unter Alkoholeinfluss vergewaltigt.

Brilliant dargestellt wird auch die Thematik junger Liebe, mit Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen, krankhafter Eifersucht, die sich bis zum Stalking steigert. Die Beziehung von Orpheus (Jakob Hauser) und seiner angebeteten Eurydike (Carolina Leiter) droht daran zu zerbrechen.

Es gibt noch weitere hochbrisante Themen in diesem ideenreichen, von den Schüler selbst umgeschriebenen Theaterstück. Sie sind direkt dem Alltag entnommen und werden in technischem Fachjargon pointenreich ausgedrückt. Es geht um Cybermobbing, Hasspostings, grausamen Rufmord (Diana (Anna Bieche) und Aktaion (Raffael Hasslacher), die Macht sozialer Netzwerke und um die Rolle der Frau als Lustobjekt sowie das Machogehabe des Mannes.

Das Theaterstück kommt mit wenigen, jedoch symbolisch aussagekräftigen Requisiten aus und wird durch professionelle Multi-Media-Projektionen, Gesangs- und Tanzeinlagen sowie Musik wirkungsvoll untermalt. Hohes Lob dem Filmemacher Georg Reitz, der ein Absolvent unserer Schule ist. Der Song wird gefühlvoll von Mirela Kahrimanovic interpretiert.

Eines ist gewiss: die schauspielerischen Leistungen der Akteure sind äußerst bemerkenswert und bühnenreif. Es gelingt den jungen Schauspielern, die Zuschauer in die antike Welt der Götter zu entführen und ihre Probleme in die Gegenwart zu projizieren. Die Geschichten gehen unter die Haut, sind unterhaltsam und regen zum Nachdenken an.

Was ist die Message an die Zuschauer? Vielleicht hat ja jeder von uns eine psychische Störung. Wie man jedoch damit umgeht, hängt von der Akzeptanz unserer modernen Gesellschaft ab. Auch der Wunsch nach Liebe, Harmonie und Heilung kann nicht immer erfüllt werden. Selbst die moderne Psychoanalyse hat nicht immer fertige Patentlösungen anzubieten, brilliant verkörpert durch die am Ende völlig verzweifelte Leiterin der Selbsthilfegruppe, Dr. O. Vid, der nur noch die seelische Unterstützung ihrer Sprechstundenhilfe (Klara Hultsch) als Trost bleibt.

Die Aufführung der Theatergruppe Perau verdient das Prädikat „wertvoll“ und ist der Beweis dafür, dass man junge Leute im 21. Jahrhundert für Literatur und Theater begeistern kann, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Gelesen 5144 mal Letzte Änderung am 22. 08. 2019